Wer kennt noch Harold Lloyd, den Komiker mit der Brille? Hm, wohl nicht mehr viele Leute. Heute scheint der gute Harold vergessen zu sein. Aber das war nicht immer so.

Zur grossen Zeit des Stummfilms war Harold Lloyd ein Star. Und zwar ein Weltstar. Er war genauso berühmt wie Charles Chaplin. Und das will etwas heissen!

Das Slapstick-Genie wurde dadurch bekannt, dass es eine neue komische Figur entwickelte. Tja, und diese Figur zu beschreiben, ist einfach und schwierig zugleich...

Harold Lloyd verkörpert eigentlich eine ganz normale Person. Jemand, der ein bisschen schüchtern ist. Er trägt Kleider wie sie die meisten Leute zu jener Zeit trugen, als Harold Lloyd seine Figur erfand. Das war 1917.

Er ist ein «Jedermann». Das bedeutet, dass jeder so sein könnte wie er. Er trägt immer eine Brille und einen flachen Strohhut. Der Hut (man nennt ihn auch Canotier) war damals gross in Mode.

Wie aber konnte so ein «Jedermann» die ganze Welt zum Lachen bringen? Schauen wir uns dieses Phänomen etwas genauer an...

Vor Harold Lloyd spielten die Slapstick-Komiker gerne extreme Figuren: Leute die auffielen, Originale. Sie zogen sich an wie Clowns, mit viel zu grossen Kleidern und riesigen Schuhen.

Diese Komiker trugen auch gerne falsche Bärte und Schnäuze. Harold Lloyd hatte das alles nicht nötig. Er konnte sein Publikum auch anders zum Lachen bringen.

Die Zuschauer schlossen ihn schnell ins Herz. Wenn man ihm zusieht, hat man das Gefühl, sich selber zu sehen. Deshalb wurden die Filme von Harold Lloyd auch so erfolgreich.

Um seine Figur richtig alltäglich aussehen zu lassen, trug Lloyd ein Brillenmodell, wie es vor 1920 fast jeder trug.

Er war übrigens der erste Schauspieler, der es wagte, mit Brille zu spielen. Natürlich setzte er die Brille nur auf, um seine Rolle zu verkörpern. Der Schauspieler Harold Lloyd sah nämlich in Wirklichkeit sehr gut.

Wenn man genau hinschaut, sieht man, dass die Brille keine Gläser hat. Unser Schauspieler wollte deshalb keine Brillengläser, weil sich sonst die Scheinwerfer darin gespiegelt hätten, wenn er in einer Grossaufnahme zu sehen war.

Harold Lloyd hat sich Zeit gelassen, um seine Figur zu erfinden. Er begann seine Laufbahn als Filmschauspieler um 1914. Er trat in gut hundert kurzen Filmchen auf, in denen er immer die gleiche Figur spielte. Und die hatte er Charles Chaplin abgeschaut...

Ab 1917 hatte er aber genug davon, seinen Kollegen zu kopieren. So erfand er seine eigene Figur. Lloyd hat schnell begriffen, dass er ein paar Stunts einbauen musste, um erfolgreich zu sein.

Auf diese Weise konnte er sein Publikum immer wieder überraschen. Denn niemand erwartete, dass ein normaler Mensch solche ausserordentlichen körperlichen Fähigkeiten hat.

Genau das hat er in AUSGERECHNET WOLKENKRATZER! auch getan. Es ist sein bekanntester Film und stammt aus dem Jahr 1923. Harold Lloyd spielt darin einen Verkäufer in einem grossen Warenhaus.

Um seine Verlobte zu beeindrucken und um Werbung zu machen, organisiert Harold einen grossen Anlass. Ein Freund von ihm soll an der Fassade des Kaufhauses hochklettern. Der Haken an der Sache ist: Das Haus ist ein Wolkenkratzer. Der zweite Haken an der Sache ist die, dass der Freund von der Polizei verfolgt wird.

Plötzlich ist Harold in der Situation, dass er die Rolle des Fassadenkletterers übernehmen muss. Was daraus entsteht, ist ein so unglaublicher Stunt, dass er zu einer der berühmtesten Szenen der Filmgeschichte überhaupt geworden ist!